Fünf Jahre wie ein Tag: Das Meditationshaus by Kengo Kuma als Denkmal im 5-Sterne-Hotel „Das Kranzbach“

Auf 1.040 Metern Seehöhe hat sich das 5-Sterne-Hotel mit seiner 130.000 Quadratmeter Grundstücksfläche und einer langen Historie, die bis 1868 zurückdatierbar ist, zur exklusiven Destination in der oberbayerischen Mittenwald-Region etabliert. Nach Übernahme durch Dr. Jakob Edinger in 2004, 40 Millionen Euro Investition und Eröffnung 2007 als Wellness- und Urlaubsadresse für Gäste, die Rückzug vom Alltag in der Natur suchen, geht es seitdem – pragmatisch formuliert – immer weiter hoch hinauf für „Das Kranzbach“ als Refugium in alpiner Solitärlage.

 

Aspektierung von Sicherheit durch reduzierten Luxus

 

Luxus durch gelebte Reduktion auf das Wesentliche auf einem Plateau mit Panorama bis zur Zugspitze lässt sich über eine Mautstraße nach Klais in der Marktgemeinde Krün erreichen, die als Pforte zum Wettersteingebirge gilt. Ankömmlinge werden durch die Optik des weitläufigen Schlossensembles sofort in einen Adelskosmos versetzt, der existenter Teil der Kranzbach-Geschichte ist. In Komposition mit moderner Architektur entsteht ein Gesamtwerk, das Charakter und Persönlichkeit ausstrahlt. Gleichermaßen wie die geomorphologisch besonderen Buckelwiesen unter Naturschutz stehen, manifestiert sich eine über das rein Mentale hinausgehende Aspektierung von Sicherheit.

 

Meditationshaus schwebt mit Kraggewölbe aus Holz

 

Es hat mit den Sujets von beschützt und sicher zu tun, dass genau vor fünf Jahren im Herbst 2018 eine weitere Gebäude-Attraktion auf dem Hotelareal eröffnet wurde. Das japanische Meditationshaus liegt nur 200 Meter vom Haupthaus entfernt und dabei eingebettet im umgebenden Wald. Die stille Örtlichkeit nimmt Besucher mit seiner raumgreifenden Glasfront in den Bann. Das Objekt aus 1.550 Schindeln in einem kraggewölbigen Holzkonstrukt im Inneren harmoniert durch seine Schwingung mit den äußeren Baumkronen. Stahl wurde unsichtbar mitverbaut, um die Räumlichkeit schwebend anmuten zu lassen. Beeindruckend die einnehmende Leere mit unverstellten Blickachsen, wobei der skulpturale Hohlkörper sich scheinbar vor den Augen - und damit vor einordnender Beurteilung - der Welt entzieht.

 

Freiheit des Loslassens in essenzieller Einzigartigkeit

 

Star-Architekt Kengo Kuma, der zuletzt für das neue Nationalstadion für die Olympischen Spiele in Tokio und für das Designmuseum „Victoria & Albert Dundee“ verantwortlich zeichnete, geht es bei seinem Entwurf um die Unterstützung von Loslassen analog der fernöstlichen Lehre. Auch schwere, unbequeme Gedankensequenzen sollen sich durch die umgebende Leichtigkeit willkommen fühlen, um integriert zu werden. Alles darf sein, darf sich zeigen, denn wie man denkt respektive fragt so wird gelebt, heißt es interpretatorisch in einem Sprichwort.  Das Gefühl von Aufgehoben- und Angenommensein lässt den Menschen im Kranzbach-Meditationshaus ganz frei werden in seiner essenziellen Einzigartigkeit. Denn auf dieser Waldlichtung ordnet sich die Bedeutung von Denkmal in innovativer Weise.

 

„Das Kranzbach“ – Wirken und Glauben vereint monastische Autarkie im Kräuter- und Nutzgarten

Im Pentagramm steht die Ziffer 5 für Freiheit und Veränderung durch neues Wissen. Im fünften Jahr nach der Eröffnung des japanischen Meditationshauses und im „Herbst seines Lebens“ verstarb der Kranzbach-Hotelier und -Direktor Dr. Jakob Edinger 2023 überraschend in seinem 79. Lebensjahr. Seine Verdienste ums Kranzbach gepaart mit der Überzeugung von der Magie des Kraftortes werden in die Geschichte des Hauses eingehen. Prägend war seine Handschrift, immer wieder den Willen zur Exzellenz unter Beweis zu stellen. Dabei konzentrierte sich sein eigener Leitgedanke nicht unbedingt allein darauf, ein exklusives Ambiente zu präsentieren. Für Edinger bedeutete das immanent „Klosterhafte“ in einem Nobelresort keinen strengen Widerspruch. Vielmehr war ihm an einem energetischen Platz in der Ursprünglichkeit von „Herberge“ gelegen, wo Mensch im Wirken mit seinen Werten und letztlich im Glauben konfrontiert wird.

 

Zum Vermächtnis des Visionärs gehört sicherlich die Philosophie, dass „Das Kranzbach“ leise sein will. Wo könnte diese Botschaft besser gehört werden als in einem Bereich, der quasi den funktionalen Mittelpunkt eines baulichen Arrangements darstellt. Gemäß monastischer Autarkie wurde auf Erdingers Wunsch hin der hauseigene Kräuter- und Nutzgarten als zentrales Herzstück angelegt. Über 130 verschiedene Kräuter- und Heilpflanzen, die von über 200 Rosenstöcken und einem Band von Sonnenblumen eingerahmt werden, versprechen ein Erlebnis für alle Sinne. Sehen, riechen, tasten, schmecken – Letztgenanntes wird im Kontext des gehobenen Kranzbach-Küchenkonzepts facetten- wie nuancenreich in kreativer Menükulinarik serviert. Zudem profitieren Spa- und Naturkosmetik-Anwendungen von Pflanzenextrakten, die nach jahreszeitlich abgestimmten Kräuterernten gewonnen werden.

 

Text/Fotos: Ariane Günther