Im Entree stimmen der Duft von Vanille und das Yin-Yang-Zeichen in Form eines Bodenmosaiks atmosphärisch ein. Eine Teebar mit olfaktorischen Anregungen in Porzellanschälchen verstärkt das sinnliche Ankommen im fernöstlichen Ambiente des Posthotels Achenkirch. Im selben Sinne zelebriert dessen Restaurant „Tenzo“ den Leitspruch „Riechen, Schmecken, Essen“ und erinnert an den Filmklassiker „Eat, Pray, Love“. Dies umso mehr, sobald Küchenchef Fabian Leinich als der „Tenzo“ – in der buddhistischen Tradition versorgt dieser im Kloster die Glaubensgemeinschaft als Koch – mit seinen Drei-Hauben-Kreationen aufwartet.
Lebensenergie mit Yin und Yang
Drei Vier- oder Fünf-Gänge-Menüs à la „Yin, Yang und Vegan“ stehen im jahreszeitlichen Wechsel zur Wahl. Generell gibt es „wärmende“ und „kühlende“ Speisen, je nachdem in welcher individuellen oder saisonalen Verfassung sich der Gast befindet. Zur Entscheidungsfindung wird Vorerfahrung mitgebracht, ein Selbsttest-Fragebogen ausgefüllt oder der auf den Karten vermerkten Wirkungsweise vertraut. Das geschulte Servicepersonal steht beratend zur Seite.
„Die Zubereitung der Menüs erfolgt nach der Fünf-Elemente-Lehre der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). In jedem Gericht werden die Geschmacksrichtungen süß, scharf, salzig, sauer und bitter verwendet“, erklärt der aus der Steiermark stammende Tenzo-Koch Fabian Leinich, Jahrgang 1982, und erläutert, dass sich „Yin-Mangel“ oft in Dauerstress und Schlafproblemen bemerkbar mache. Zudem würden intensive emotionale Belastungen am Yin knabbern. Daher setzt er auf stärkende Nahrungsmittel, um die Balance anzukurbeln. Als blutzuckersenkende Vorspeise erden Süßkartoffeln mit Ingwer – der Waffe gegen chronische Entzündungsherde – und Kokos das übersäuerte System. Die „Forelle Salzkammergut“ und das „Tiroler Milchkalb“ bringen mit ihren Beilagen aus Bohnen, Kartoffeln und Pastinaken das „Qi“ oder „Chi“ in Gang, wie die Lebensenergie im Chinesischen genannt wird.
Heil- und Kochkunst im Menü
Bei den „Yang-Gerichten“ stehen Aktivität und Lebendigkeit – etwa nach Phasen von Überarbeitung und Auszehrung – im Vordergrund. Der Zwischengang „Grüne Linse mit Jakobsmuschel, Balsamico und Grünkohl“ soll stimulierend auf das Nervenkostüm wirken. Ein kulinarisches wie optisches Highlight: „Schwarzer Reis“ mit Papaya, Garnele und Kürbiskern. Die Chili-Note soll den Stoffwechsel ankurbeln. Alternativ verspricht der „Karwendelhirsch“ mit geräucherten Mandeln, Rotkraut und Schupfnudeln eine Extraportion Kraft.
Die vegane Menüfolge sieht nach Edelkastanien-Cremesuppe mit Leinsamen-Cracker die Mango-Kokos-Polenta vor, oder eine verdauungsfördernde Wirsing-Roulade. Die Polyphenole der Bitterschokolade in der Mousse au Chocolat sollen krankmachende freie Radikale bekämpfen. Gemäß der TCM-Philosophie dürfen sich die Gäste frischer gluten-, laktose- und konservierungsfreier Zutaten erfreuen, die ohne industriell raffinierte Zucker und Öle auskommen.
„Die Aufgabe, am Achensee ein gesundheitsorientiertes Lifestyle-Lokal auf gehobenem Niveau zu konzipieren und zu führen, hat mich inspiriert“, erläutert Fabian Leinich. „Mich haben die Inhalte im Zusammenhang mit der Heil- und Kochkunst von TCM schon in meiner Ausbildungszeit angesprochen.“ Nun können die Gäste seine Gourmetküche erleben und nur eine knappe Stunde südlich von München auf kulinarischen TCM-Geschmack mit seiner 5.000 Jahre alten Geschichte kommen. Auch Akupunktur sowie die Bewegungsformen Qigong und Tai-Chi gehören im alpinen Fünfsterne-Resort zum Programm. Das Erwachsenenhotel, in dem eine TCM-Ärztin und ein Shaolin-Mönch tätig sind, bezeichnet sich als einen Kraftort, der dabei unterstützen soll, Vitalität für das Mehr am „Ich“ zu mobilisieren.
Wohltuendes Wabi Sabi
In der TCM-Philosophie werden Gleichklang mit sich sowie der Einklang mit Umwelt und Natur großgeschrieben. So wurde das Interior des „Tenzo“ nach dem japanischen Ästhetik-Konzept „Wabi Sabi“ eingerichtet. Dies drückt sich in einer klar definierten Holz-Architektur aus, deren neues Fundament auf jahrhundertealten Mauern liegt. Eine Art Himmel aus heimischer Filzornamentik verleiht dem Gastraum mit 35 Sitzplätzen Leichtigkeit und dämpft Geräusche.
Kräutermagie für die Sinne
Auf einem Tisch stehen für die Gäste die „Fünf-Elemente-Gewürze“ bereit, deren Hausmischungen topsecret sind:“Statt nachmittäglicher Zimmerstunde wandern wir in den Wald oder auf die Alm“, beschreibt Fabian Leinich sein eigenhändiges Sammeln von Löwenzahn, Fichtensprossen, Gänseblümchen, Schafgarbe, Klee und mehr. Getrocknet und grammgenau abgewogen ergibt sich ein sinnfreudiger Kontext an Farben und Aromen. TCM sieht Nahrung als Lebenselixier und natürliches Heilmittel. So wird der Biss in die Zauberkräuter auf selbst gebackenem Brot ein Seelenbad in Wasser, das dem Winter entspricht, Holz (für Frühling), Feuer (Sommer), Erde (Spätsommer) und Metall (Herbst).
Text: Ariane Günther
Fotos: Posthotel Achenkirch
Medium der Erst-Veröffentlichung:
https://www.tophotel.de/restaurant-tenzo-alpin-gourmetkueche-trifft-auf-tcm-122824/